S1E5 - Entscheidsfindung mit TAF
In meinem letzten Artikel habe ich darüber geschrieben, wie Gründer:innen ihre Entscheidungen treffen, Geschäftsideen validieren. Dabei habe ich zwei gegensätzliche Pole der Entscheidungsfindung beschrieben: Einen Fokus auf das Denken (z.B. vertiefende Analysen) und einen Fokus auf das Tun (z.B. Trial and Error). Während in der Gründerszene beide Ansätze beobachtbar sind, gibt es jedoch eine starke Tendenz zu einem Fokus auf das Tun. Dabei werden zeitnahe Resultate produziert und datenbasiert entschieden. Nachfolgend führe ich mit dem TAF Decision Frame eine ganzheitliche Perspektive zur Entscheidungsfindung ein.
TAF steht für Think-Act-Feel. Diese drei Dimensionen sollten für gute und nachhaltige Entscheidungen berücksichtigt werden. Vorab eine kurze Definition der drei Dimensionen1.
Think: „die menschliche Fähigkeit des Erkennens und Urteilens anwenden; mit dem Verstand arbeiten; überlegen“
Act: „eine Handlung ausführen“
Feel: „von seinem körperlichen oder seelischen Zustand, von seiner Lage, Situation oder Ähnlichem eine bestimmte Empfindung haben“
Die Entscheidungsfindung ist immer eingebettet in die Umwelt, den Kontext der Entscheidung, wie in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich.
Dabei ist der Gedanke, diese drei Dimensionen zu betrachten, nicht neu. Gerne möchte ich Albert Ellis, Pionier der kognitiven Verhaltenstherapie, als einen der gedanklichen Väter dieses Grundgedanken herausheben. Die Betrachtung dieser drei Dimensionen, die in der Therapie sinnvoll ist, stiftet aber auch für die Entscheidungsfindung von Gründer:innen einen Nutzen. Aus allen drei Dimensionen können Information gewonnen werden, durch das Nachdenken, durch das Handeln und durch die erlebten Gefühle. Warum also eine dieser Dimensionen und die wertvollen Informationen daraus ignorieren?
In der nachfolgenden Abbildung skizziere ich ein Beispiel, wie Entscheidungsfindung mit dem TAF-Decision Frame funktionieren kann. Nehmen wir mein Beispiel. Ich hatte Lust darauf, Inhalte für Gründer:innen aufzubereiten und zu publizieren. In einem ersten Schritt habe ich mir angesehen, was es zu diesem Thema alles gibt und darüber reflektiert, welche Perspektive ich wählen könnte. Zu der Zeit hatte ich für eine Publikation recht viel Militär-Literatur gelesen. Ich wollte lernen, wie im militärischen Kontext, Entscheidungen bei hoher Unsicherheit getroffen werden. Die Literatur war durchaus aufschlussreich und einige der militärischen Konzepte auch für Gründer:innen relevant. Also habe ich einen ersten Artikel mit Analogien aus dem Militärbereich verfasst und auf Linkedin gepostet. Obwohl die Militäranalogien für mich inhaltlich Sinn machten und mir das Schreiben leicht viel, hat es sich jedoch nicht richtig angefühlt. Möchte ich mich wirklich in den nächsten Jahren noch weiter in die Militär-Literatur eingraben? Soll das mein Schwerpunkt werden? Eher nein. Auch das Feedback auf meinen Artikel war überschaubar bzw. nicht wirklich vorhanden. Ich habe dann Feedback eingefordert und gute, kritische Diskussionen über die Vergleichbarkeit von Militär und Wirtschaft geführt. Im militärischen Auseinandersetzungen endet die Geschichte meist mit einer Niederlage einer Partei. Es gibt einen Verlierer und einen Gewinner. Und obwohl in unserem betriebswirtschaftlichen Sprachgebrauch auch häufig militärische Begriffe verwendet werden (z.B. den Wettbewerber vernichten, Marktanteile erobern), kann es im wirtschaftlichen Kontext auch zeitgleich mehrere Gewinner geben, z.B. in stark wachsenden Märkten. Sogar Kooperationen zwischen Wettbewerbern, Co-Opetition von Brandenburger & Nalebuff genannt, machen in gewissen Settings Sinn (z.B. eine Kooperation von Wettbewerbern im Buchmarkt wie Thalia, Weltbild, Hugendubel zur tolino-Allianz, um gegen den Amazon-Kindle anzutreten). Die Kombination aus Denken, Handeln und Fühlen hat mich zur Erkenntnis gebracht, dass der Fokus auf Militäranalogien nicht das richtige für mich ist. Beim reinen Durchdenken hat es sich noch stimmig angefühlt. Meine Erkenntnis: Manchmal muss gehandelt werden, damit sich Gefühle einstellen und die richtige Entscheidung getroffen werden kann. Schlussendlich bin ich wieder zurück an den Start und habe darüber nachgedacht, was ich eigentlich wirklich machen will. Ergebnis mehrerer TAF-Loops ist diese Publikation, die Du gerade liest.
Auch wenn das Akronym TAF es andeuten könnte, muss der TAF Decision Frame nicht mit der Dimension Think beginnen. Der Prozess könnte genau so gut mit einem Gefühl beginnen, über dass dann reflektiert wird. Während im oberen Beispiel der eigene Gedanke der Startpunkt eines TAF-Loops war, ist im nachfolgenden Beispiel ein Impuls aus der Umwelt der Auslöser eines Entscheidungsprozesses, nämlich das Auftreten eines Wettbewerbers, welcher Kunden der eigenen Unternehmung abwirbt. Die Situation trifft auf den Gründer bzw. die Gründerin. In der Dimension Think erfolgt jetzt eine entscheiden Weichenstellung, denn wie über die Situation gedacht wird, hat eine maßgebliche Auswirkung darauf, welche Gefühle sich einstellen, was sich wiederum auf die nachfolgende Handlung auswirkt. Achtet folglich bewusst darauf, wie ihr gedanklich auf eintretende Situationen reagiert. In späteren Staffeln dieser Publikation werde ich klare Handlungshinweise herausarbeiten, wie Gründer:innen ihr eigenes Denken besser wahrnehmen und beeinflussen können.
Das manchmal erst eine Handlung gesetzt werden muss, bevor ein Gefühl zu einer Situation entwickelt werden kann, erlebe ich häufig auch im Alltag. Das nachfolgende Beispiel soll dies illustrieren und ist dem ein oder anderen von Euch vermutlich in unterschiedlichen Ausprägungsformen bekannt. Entscheidend ist, erst wenn Handlungen gesetzt werden, stellen sich Gefühle dazu ein. Häufig kann erst dann ein Entscheidungsprozess abgeschlossen werden. Insofern bin ich ein großer Fan von zeitnahen Handlungen, aber eben nicht überhastet, sondern durchdacht und auch unter Berücksichtigung der Gefühle, die sich diesbezüglich einstellen. Der TAF-Decision Frame soll einen Beitrag zur holistischen Entscheidungsfindung für Gründer:innen stiften.
Die drei Definitionen zu Think-Act-Feel sind aus dem Online Duden (2021)