S2E1 - Was ich machen will vs. was ich tatsächlich mache
Als Kind wussten viele von uns, was sie werden wollen: Astronaut:in, Rennfahrer:in oder Raketenwissenschaftler:in. Tatsächlich setzen aber nicht so viele ihre Kindheitswünsche um. Manchmal auch besser so, wirst Du Dir vielleicht denken, Rennfahrer:in ist schließlich ein gefährlicher Job. Aber dennoch, dem Kindheitstraum lag ein gewisser Zauber inne. Die Berufswünsche waren noch sehr nah an den eigenen Lebensträumen, limitierende Marktbegebenheiten wurden nicht berücksichtigt, nur das Vorstellbare war die Grenze. Im Laufe eines Lebens dreht sich das. Die eigenen Wünsche werden zunehmend weniger berücksichtigt, dafür die Wünsche des Markts als oberste Maxime herangezogen. Klar, der Markt ist sehr wichtig. Schließlich würde ich mir in Österreich, einer Nation ohne Raumfahrtprogramm, sehr schwierig tun, Astronaut zu werden. Aber mit einer starken Marktorientierung nimmt auch die Gefahr zu, ein Leben zu leben, dass stark abweicht von den eigenen Vorstellungen, Interessen und Wünschen.
Alfred Adler, Gründer der Individualpsychologie, spricht von Lebensaufgaben in den Bereichen „Liebe“, „Gemeinschaft“ und „Arbeit“, die jeder von uns meistern muss. Im Bereich der Liebe gilt es beispielsweise eine/n Partner:in zu finden, seine Sexualität zu leben etc. Im Bereich der Lebensaufgabe Arbeit, geht es meinem Verständnis nach darum, eine Betätigung zu finden, die zu den eigenen Zielen, Interessen und Fähigkeiten passt. Das ist gar nicht so einfach. Daher passt der Ausdruck Lebensaufgabe ganz gut. Es ist wirklich eine Aufgabe für das Leben, die Kluft zwischen dem was ich mache und dem was ich machen will, zu schließen. Es kann wortwörtlich auch ein Leben lang dauern. Manche schaffen es auch nicht.
Die Kluft zwischen dem, was ich machen will und dem, was ich mache, scheint in der Gesellschaft recht groß zu sein. Wenn ich das Radio anschalte, höre ich schon ab Mitte der Woche Durchhalteparolen bis zum baldigen Wochenende. #TGIF (Thank God it’s Friday) ist einer der meist benutzten Hashtags an einem durchschnittlichen Freitag auf sozialen Netzwerken.
Unternehmertum wäre eigentlich ein perfektes Mittel, um genau in dem Tätigkeitsbereich aktiv zu werden, der mit den eigenen Zielen, Interessen und Fähigkeiten übereinstimmt und somit die Kluft zwischen dem, was ich machen will und dem, was ich schlussendlich mache, schließen könnte. Dennoch erlebe ich viele mit ihrer Tätigkeit unzufriedene Unternehmer:innen in meinem Netzwerk. Wie kommt es dazu? Eine These: Als Partner in einem Startup-Center habe ich die Gelegenheit, viele Gründer:innen in sehr frühen Phasen ihrer unternehmerischen Reise zu coachen. Was ich dabei beobachten kann: Gründer:innen richten sich in ihrem unternehmerischen Vorhaben sehr stark an der Nachfrage und dem Markt aus. Kundenorientierung ist dabei die oberste Maxime. Das Geschäftsmodell, die Strategie, viele der folgenden Lebensjahre werden dann danach ausgerichtet, was der Kunde will. Doch was will der Gründer oder die Gründerin eigentlich? Diese Frage ist völlig untergeordnet. Sie sollte jedoch an erster Stelle einer unternehmerischen Tätigkeit stehen. Was will ich in meinem Leben? Welche Ziele, Bedürfnisse, Fähigkeiten, Wünsche oder Interessen habe ich? Und wie passt mein Geschäftsvorhaben mit diesen zusammen? In dieser zweiten Staffel werde ich Gedanken zu diesem Themenbereich formulieren, die dabei hilfreich sind, einen stimmigen, eigenen Weg zu finden.
Last but not least: Versteht mich nicht falsch. Eine kunden- bzw. marktorientierte Vorgehensweise ist sehr wichtig. Gründer:innen die nur auf sich schauen, und nicht auf den Markt bzw. die Kunden, werden sehr wahrscheinlich nicht erfolgreich sein. Aber die Bedürfnisse der Gründer:innen sollten aber nicht auf dem Altar der Kundenorientierung geopfert werden. Kundenorientierung und Gründer:innen-Orientierung sollten sich nicht ausschließen, sondern miteinander verbunden werden. Mehr dazu in den nächsten Episoden dieser Staffel.